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Wann wurde Südtirol italienisch?

Bis zum Ende des Ersten Weltkriegs gehörte Südtirol zur k&k Monarchie Österreich-Ungarn. Tirol umfasste das heutige österreichische Bundesland Tirol (Nordtirol und Osttirol), sowie das heute zu Italien gehörende Trentino-Südtirol. Es gab also keine Teilung in Nord- und Südtirol, wie wir sie heute vorfinden. Das Gebiet Tirols erstreckte sich damals im Süden bis zum Gardasee, beinhaltete somit auch das italienisch-sprachige Trentino, das auch Welsch-Triol genannt wurde. Wann wurde Südtirol italienisch? Hierfür bedarf es einen kleinen geschichtlichen Exkurs:

Situation im Ersten Weltkrieg

schuetzengraben
Schützengraben an der
Dolomitenfront (1915-1918)

Im Ersten Weltkrieges verlief die Dolomitenfront zwischen Italien und Österreich-Ungarn von 1915 bis 1918 an der südlichen Grenze Tirols. Das italienischsprachige heutige Trentino inklusive des nördlichen Gardaseezipfels lag also auf österreichische Seite.

Beide Seiten konnte im Verlauf des Krieges kaum Gebietsgewinne verzeichnen. Allerdings lag der Fokus der österreichischen Strategie eher auf „Halten“ und nicht auf „Vorschmarsch“ der Truppen, denn große Teile des österreichischen Heeres war an der Ostfront in Russland gebunden.

An der Dolomitenfront kämpfen auf österreichischer Seite deshalb vor allem auch Reservisten und alte Männer sowie übrigens auch italienischsprachige Männer aus dem Trentino. Noch heute sind die Schützengräben der Italiener und Österreicher zu sehen.

Erst nach der Kapitulation Österreich-Ungarns und des deutschen Reichs konnten die Italiener nach Norden vorrücken.

Südtirol und das Trentino werden italienisch

Im Jahr 1919 wurde das Gebiet südlich des Brenners Italien zugesprochen. Dies wurde im Friedensvertrag von St. Germain festgelegt. Tatsächlich verlief aber damals wie heute die deutsch-italienische Sprachgrenze viel weiter südlich, nämlich bei der Salurner Klause, der Grenze zwischen Südtirol und dem Trentino. Ungeachtet dessen beanspruchte Italien aber die Wasserscheide (zwischen Mittelmeer und Schwarzem Meer) als seine Nordgrenze. Der Brenner sollte die Nordgrenze Italiens bilden und Südtirol an Italien fallen. Die Alliierten stimmten zu, um das politisch instabile Italien an sich zu binden. Allerdings wurde auch die Wasserscheide nicht als Grenze eingehalten, da drei Gemeinden des Pustertals nördlich der Wasserscheide ebenfalls an Italien fielen (nämlich Sexten, Toblach und Innichen).

Somit wurde Südtirol – wie auch das Trentino – im Jahre 1919 in politischer Hinsicht italienisch.

Die Zeit danach

Nach dem ersten Weltkrieg kam es zu Spannungen zwischen italienischen Faschisten und der deutschsprachigen Bevölkerung Südtirols. Die Bevölkerung sollte „italienisiert“ werden. Ortsnamen und sogar Familiennamen wurden auf teils abenteurliche Weise ins Italienische übersetzt, als offizielle Sprache – z.B. in Schulen, Ämtern und vor Gericht – war nur noch Italienisch zulässig. Der Zweite Weltkrieg änderte an der politischen Zugehörigkeit Südtirols zu Italien nichts. im Gegenteil, das Abkommen zwischen Hitler und Mussolini, die deutsche Niederlage sowie eine massive Ansiedlung von Italienern in größeren Städten wie Bozen besiegelten eher den Status Quo. Die südtiroler Bevölkerung lehnte sich teils radikal gegen die italienische Fremdbestimmung auf, verübte in der 1960er und 70er Jahren Anschläge und forderte wehement die versprochene Selbstbestimmung. Die Autonomonie, welche im Jahr 1972 politische Realität wurde, brachte zwar Ruhe und führte zu einer Akzeptanz der gegebenen Situation. Bist heute haben aber große Teile der deutschsprachigen Bevölkerung eine ambivalente Einstellung zu italienischen Zugehörigkeit.

Auch gesellschaftlich italienisch?

Politisch wurde Südtirol also im Jahr 1919 italienisch. Doch sozio-kulturell ist diese Tatsache nicht ganz so eindeutig.

  • Die Mehrheit der Südtiroler, nämlich über 62% sehen sich als Angehörige der deutschen Sprachgruppe (Stand 2011, Quelle: Landesinstitut für Statistik Astat).
  • Nur rund 23% gehören der italienischen Sprachgruppe an (Stand 2011, Quelle: Landesinstitut für Statistik Astat).
  • Der Anteil der italienischen Sprachgruppe nimmt seit den 1970er Jahren tendenziell eher ab.
  • Die Südtiroler Volkspartei (SVP), die sich insbesondere für Autonomie und die Belange der deutsch- und ladinisch-sprachigen Bevölkerung einsetzt, ist die särkste Partei in Südtirol (vgl. Landtagswahlen 2013 in Südtirol).
  • Die Partei „die Freiheitlichen“, welche das Selbstbestimmungsrecht der Südtiroler primär in Form eines unabhängigen Freistaates vertritt, wurde bei der Landtagswahl im Jahr 2013 mit knapp 18% die zweitstärkste Partei. Die Partei „Süd-Tiroler Freiheit“, die für eine Loslösung Südtirols von Italien plädiert, erreichte bei den letzten Landtagswahlen immerhin 7,2%. Somit haben über ein Viertel der Südtiroler Wahlberechtigsten für eine Partei mit klar separatistischen Zügen gestimmt.
  • Die deutschsprachige Bevölkerung hat ein großes mediales Interesse an deutscher und österreichischer Politik, Kultur, Wirtschaft und Sport. Die wichtigsten deutschsprachigen Fernsehsender in Südtirol sind deutsche und österreichische Kanäle. Fernseh- und Radiosender wie ORF, 3Sat und österreichischer Rundfunk räumen dem Interesse an Südtirol z.B. für Wetter, Verkehr und Politik vergleichsweise viel Raum ein.
  • Große Teile der jungen Südtiroler Studenten wählen eine der Universitäten in Innsbruck, Wien und München.
  • Zahlreiche alpenländische Traditionen, die man auch heute noch im österreichischen und süddeutschen Brauchtum findet, sind fester Bestandteil der Südtiroler Kultur.

Dies sind einige Beispiele, die verdeutlichen, dass die sozio-kulturelle Zugehörigkeit zu Italien bei weiten Teilen der Bevölkerung nicht ganz so eindeutig ausfällt.

Gleichzeitig befürworten viele Südtiroler aber auch die Sonderrolle, die ihr Land heute einnimmt. Diese Sonderrolle bekommen sie gerade als Teil Italiens zugesprochen. Ein theoretische Wiedervereinigung mit dem österreichischen Bundesland Tirol würde vermutlich zu großen Teilen den Verlust der Autonomie und der Sonderrolle bedeuten. Als eigenständiger Staat wäre Südtirol (zu) klein und zudem würde die Neubildung von Staaten dem europäischen Gedanken widersprechen. Es fehlt also an realistischen und klaren Alternativen. Dies Gründe führen sicherlich mitunter dazu, dass sich selbst unter den Gegner der italienischen Zugehörigkeit keine klare sozio-kulturelle Meinung durchsetzt.